Erlebnisbericht von Ritchy
Es ist geschafft, ein weiteres Mal konnte ich den Ironman Germany in Frankfurt a. M. finishen. Für mich blieb die Uhr bei 11:58:01 Stunden stehen. Das ist die schlechteste Zeit meiner bisherigen drei Langdistanzen. Aber für mich persönlich ist es ein ganz großer Sieg gegen mich selbst!
Nachdem in den letzten sechs Monaten meiner Wettkampfvorbereitung alles gut lief und ich voll im Trainingsplan lag, musste ich fünf Wochen vor meinem Hauptwettkampf die schmerzliche Erfahrung machen, dass der Körper einem schnell einen Strich durch die Rechnung machen kann. Ich hatte während der ganzen Vorbereitung versucht, mein Lauftraining etwas mehr in den Vordergrund zu stellen, denn in den Vorjahren war der Marathon als letzte Teildisziplin meiner Ironman-Wettkämpfe der Schwachpunkt gewesen. Mitte Juli, also sechs Wochen vor meiner Langdistanz-Teilnahme, machte ich noch einmal einen Trainingsblock, wobei Laufen den Hauptbestandteil bildete. Zwei lange Trainingsläufe und ein schwerer Ligawettkampf in einer Woche waren dann doch deutlich zu viel für die Beine. Nachdem ich mit großen Schmerzen meinen ersten Ligawettkampf beendete, musste ich am nächsten Tag gleich den Arzt aufsuchen. Die Diagnose war eine schwere Knochenhautentzündung am Schienbein. Dies bedeutete vorerst kein Lauftraining und selbst meine Lieblingsdisziplin Radfahren war nur noch eingeschränkt möglich. Für mich ein Supergau. Genau jetzt wären noch ein paar gute Trainingseinheiten wichtig gewesen. Arztbesuche, entzündungshemmende Medikamente, Salbenverbände sowie kühlende Kompressen gehörten nun anstelle meiner Trainingseinheiten zum Tagesablauf. Die verbleibende Zeit bis zum Wettkampf verging nun plötzlich wie im Flug. Meine zwei Versuche nur 100 Meter zu laufen scheiterten kläglich. Das Radfahren ging letztlich wieder von Woche zu Woche besser und auch bei meiner Schwimmform musste ich kaum Einbußen machen. Fünf Tage vor dem Wettkampf war die Zeit gekommen, noch einen einzigen Testlauf zu machen und eine Entscheidung zu treffen, ob ich in Frankfurt an den Start gehen kann. Der Lauftest verlief ziemlich ernüchternd: zwei mal ein Kilometer mit Gehpause und großen Schmerzen standen am Ende zu Buche. Aber nach langem Überlegen entschied ich mich, in Frankfurt beim Wettkampf zu starten. Ob und wie ich die 226 Kilometer bis ins Ziel am Römerberg kommen sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber das halbe Jahr intensiver Vorbereitung sollte nicht vergebens gewesen sein. Mein Plan lautete nun, mein Bein noch die fünf Tage bis zum Wettkampf zu schonen, bis dahin gut zu regenerieren und den Wettkampf planmäßig durchzuziehen.
Am Wettkampftag fiel um 7:00 Uhr der Startschuss. Voller Anspannung ging ich auf die 3,8 km lange Schwimmstrecke und konnte trotz allgemeinem Neoprenverbot nach 70 Minuten aus dem Wasser steigen. Das war gut und lag im Bereich meiner Möglichkeiten. Nach schlechten sechs Minuten Wechselzeit sollte nun meine Paradedisziplin folgen. Hierbei ist es schwer den Körper nach über einer Stunde waagrechter Schwimmhaltung in die fürs Radfahren senkrechte Haltung zu bringen. Anfangs ist der Gleichgewichtssinn eingeschränkt und man muss erst seinen Rhythmus finden. An diesem Tag hatten wir außerdem noch mit leichten Wetterkapriolen zu kämpfen, es war teilweise sehr windig und fing immer wieder zu regen an. Aus diesen Gründen ging ich die ersten 12 km bis Frankfurt und die erste der zwei 84 km langen Runden etwas ruhiger an. Bei vielen meiner Rivalen kam es in Anbetracht der schlechten Wetterlage zu Stürzen und Defekten am Material. In der zweiten Runde, die uns von Frankfurt bis nach Bad Nauheim und zurück führt, konnte ich durch eine Entspannte Wetterlage etwas mehr in die Pedalen treten und insgesamt nach weniger als 5 Stunden - mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 36 km/h - vom Fahrrad steigen. Bei den fast 2400 Teilnehmern reichte das für die 164 beste Zeit Der zweite Wechsel war mit knapp 4 Minuten nicht sehr schnell, aber mir war klar, dass der Wettkampf nun neu begonnen hat und ich viel Zeit und Plätze auf der Laufstrecke liegen ließ. Ich versuchte gleich zu Beginn des Marathons ein paar lockere und vorsichtige Schritte zu laufen, stellte aber schnell fest, dass es so nicht geht. Die Schmerzen waren bereits jetzt zu groß und die langen 42,2 km wären so definitiv nicht zu schaffen gewesen. Also entschloss ich mich für Plan „B“: möglichst locker gehen bis zur Hälfte der Distanz. Dieses sollte ein schwerer Weg werden: natürlich kannten die Zuschauer mein Krankheitsbild nicht und wollten mich gut gemeint immer wieder zum Laufen animieren. Der Name auf der Startnummer machte es ihnen recht leicht, einen der ersten „Geher“ persönlich anzusprechen und anzufeuern. In diesem Augenblick war ich mir nicht ganz schlüssig, was mehr weh tat, die „Richard“-Rufe oder mein Bein?! Ich entschloss mich, dem Spießrutenlauf ein Ende zu machen und meinen Namen zu verdecken. In der nächsten von vier Runden wurde es immer voller und immer mehr Leidensgenossen, die nicht mehr laufen konnten, kamen hinzu. Nach über drei Stunden Gehen begann ich die zweite Hälfte der Strecke mit einem neuen Laufversuch, unterstützt wurde ich hierbei von meinen Freunden und Vereinskollegen Thomas Gayer und Marion Gödde, die selbst erst vor drei Wochen beim Langdistanz Wettkampf in Roht am Start wahren. Ich lief mit „Tom“ los und schaffte es tatsächlich die dritte 10,5 km lange Runde komplett durchzulaufen Die Schmerzen waren erträglich und wurden während des Laufes nicht stärker. In der vierten Runde wurde Thomas von meiner Freundin Marion abgelöst und sie gab mir die Stärke, noch die letzten 10 Kilometer bis zum Zielkanal am Römer zu bewältigen. Auf den letzten paar Kilometern konnte ich die Schmerzen verdrängen und kämpfte noch um eine Zeit unter 12 Stunden.
Mit diesem Bericht möchte ich mich bei allen meinen Freunden bedanken, die an mich geglaubt haben und mir von Zuhause sowie auch direkt an der Strecke die Daumen gedrückt haben. Da es mir am nächsten Tag bereits wieder recht gut ging, bin ich überzeugt die richtige Entscheidung getroffen haben. Frei übersetzt nach Sven Hannawald „Ich mach einfach mein Zeug“.
Montag, 24. Juli 2006
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