Oder doch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut?!
Vorgestern war es mal wieder soweit, mein vierter Start beim IronMan in Frankfurt stand mir bevor. Die Vorzeichen zu diesem Wettkampf waren recht gut. Die Witterung war genial, die Lufttemperaturen waren mild und Petrus schien uns auch gut gesonnen zu sein - also genau richtig, um in den „längsten Tag des Jahres“ zu starten. Bereits beim Schwimmstart sollen sich laut dem Veranstalter 18.000 Zuschauer am Langener Waldsee eingefunden haben. Die Stimmung am See war wieder einmal unglaublich und man spürte die Anspannung unter den 2.200 Athleten aus 40 Ländern ganz deutlich. Auch ich stand die letzten Tage unter „Strom“ und war mit großen Erwartungen hierher gekommen!
Ich fühlte mich gut regeneriert und auch im Vorfeld lief mein Training gut und ohne große Zwischenfälle. Na ja, mal ein kleiner Infekt oder etwas Schmerzen am Knie, aber nichts, was mich wirklich in der Vorbereitung gehindert hätte. Immerhin konnte ich in den vergangenen letzten 6 Monaten über 430 Stunden trainieren und hierbei 90 km Schwimmen, 5155 km Radfahren, 1475 km Laufen und an dem einen oder anderen ungemütlicheren Tagen ins Fitness Center gehen. Unterstützt in meinem Optimismus fühlte ich mich durch zwei neue persönliche Bestzeit, die ich im Frühjahr über die Marathondistanz sowie auf der Zehnkilometerstrecke aufstellen konnte.
Nun zurück zum Wettkampftag! Zum Glück durften wir an diesem Tag bei einer Wassertemperatur um die 19 Grad mit Neopren schwimmen. Da ich beim Start gut wegkommen wollte, suchte ich mir einen Startplatz, der eine direkte Linie zum ersten Wendepunkt bildete. Der Startschuss erfolgte pünktlich um 07:00 Uhr und die „Keulerei“ begann. Während des Schwimmens konnte ich nicht in meinen üblichen Atemrhythmus finden und hatte auf den letzten 500 Metern mit Wadenkrämpfen zu tun. Die Zwischenzeit war dennoch soweit in Ordnung. Eine gute Stunde später und dem Ziel 3,8 km näher stieg ich aus dem Wasser.
Etwas orientierungslos irrte ich durch die Wechselzone und stieg gegen 08:15 Uhr aufs Rad. Ich machte mich auf den Weg, die ersten ca. 13 Kilometer in Richtung Frankfurt Mainkai unter die Räder zu nehmen. Hier beginnt die erste der zwei großen Runden, die quer durch den Main-Kinzig-Kreis und Wetterau-Kreis führen. Mit dem äußersten Wendepunkt – ganz nördlich - in Bad Nauheim führt die Route zurück in Richtung Süden. Mit einer letzten und gemeinen Steigung, dem "Heartbreak-Hill" in Bad Vilbel, geht es von dort fast nur noch bergab in die Frankfurter Innenstadt. Diese Runde mit ihren ca. 500 Höhenmetern muss zweimal gefahren werden. Insbesondere in der zweiten Runde fielen mir die kurzen, aber teilweise seht „knackigen“ Anstiege sehr schwer. Spätestens hier merkte ich, dass es nicht mein erwünschter guter Tag war. Ich hatte den Eindruck, ich könne „meinen Motor“ nur zu 60% belasten - in der Form von Atemnot schaltete der Drehzahlbegrenzer sofort ab. Da so ein Wettkampftag sehr lang ist und erfahrungsgemäß viele Höhen und Tiefen mit sich bringt, hoffte ich, mich wieder zu fangen. Ich absolvierte die 180 km Radtour in einer Zeit von 5 ½ Stunden. Für meine Lieblingsdisziplin und meine sportlichen Ansprüche ist das eine schlechte Zeit. Gedanklich hakte ich diese Teilstrecke ab, um mich auf den bevorstehenden Marathon konzentrieren zu können.
Zu diesem Zeitpunkt stand für die Topathleten bereits die letzte der 4 x 10,5 km langen Laufrunden entlang des Mainufers auf dem Tagesplan, an deren Spitze sich Timo Bracht letztendlich mit einer Gesamtzeit von 8:09:15 gegen den starken Läufer (Marathonbestzeit von 2:23 Std.) Michael Göhner durchsetzen konnte. Die größten Favoriten Faris Al-Sultan (Weltmeister 2005) mussten sich mit Platz 6 zufrieden geben bzw. Normann Stadler (Doppelweltmeister 2004 und 2006) durfte sich nach seinem „Arbeitstag“ mit einer vorzeitigen Aufgabe wegen Rückenproblemen auseinandersetzen.
Nach dem kurzen Blick auf die Ergebnisse der Topleuten nun zurück zu meinem Tageswerk. Wie bereits angesprochen, sollte nun mein Marathon folgen. Planmäßig versuchte ich nach dem zweiten und guten Wechsel (Helm und Radschuhe weg – Laufschuhe an) ruhig meinen Lauf zu beginnen. Es sollte bei dem Versuch bleiben! Ich lief langsam - langsamer ging nicht mehr. Schon nach ein paar Schritten war ich völlig außer Atem. So wechselte ich immer wieder zwischen Luft holen und los Laufen, bis ich ans erste Zelt der netten Leute vom Roten Kreuz kam. Dort ließ ich meinen Puls und Blutdruck überprüfen. Die Werte waren für die Belastung in Ordnung (der Puls war nach etwas Ruhe bei ca. 70 Schläge und der Blutdruck mit 180 zu 140 wohl nicht so schlecht). Also wurde ich wieder in Richtung Laufstrecke entlassen und durfte die nächsten 41 km in Angriff nehmen. Mein Weg führte mich nur bis ins ca. 2 km entfernte, nächste Sanizelt. Ich wollte es genauer wissen und ließ mich noch einmal untersuchen. Bis auf ein leichtes „Rasseln“ beim Abhören der Lunge, konnte der Doc nichts Schlimmes feststellen. Sobald er mir etwas wirklich Hilfreiches aus seinem Köfferchen geben würde, müsste er mich aus dem Wettkampf nehmen (meinte er). Aus seiner Sicht sollte ich es mal ganz ruhig und nicht überehrgeizig, mit einem lockeren Laufen versuchen. Nein, das war doch nicht das, was ich hören wollte. Ich hätte doch jemand gebrauchen können, der mir die Entscheidung abnimmt und mir das Weitermachen verbietet. Der Doktor war es wohl nicht! Nach kurzem Ausruhen und ein paar Minuten Nachdenken ließ ich mir das Blutdruckmessgerät abklemmen und machte mich vom „Acker“. Immerhin hatte ich schon fast ein 10´tel meiner Laufstrecke hinter mir. Ich hatte mich im Vorfeld weit genug aus dem Fenster gelehnt, meine Freunde zum Zuschauen animiert und mir selbst hohe Ziele gesteckt. Nein! So schnell gebe ich nicht auf. Ab jetzt sollte wieder mein Willen über mich herrschen und mir den Weg bis ins Ziel zeigen. Leider hat er immer mal wieder versucht, mich zu verlassen. An der nächsten Verpflegungsstelle konnte ich ihn jedoch immer wieder finden. Nach knapp einem Viertel der Distanz hatte ich endlich einen Pulsbereich gefunden, in dem ich meinen Wettkampf fortsetzen konnte. Bei einem Pulsschlag von unter 130 hielten sich die Atmung und die Sauerstoffzufuhr für die Muskulatur so im Gleichgewicht, dass ich mich joggenderweise fortbewegen konnte. Das war zwar nicht sehr effektiv und keinenfalls schnell, aber es brachte mich Stück für Stück dem „neuen“ (aber doch so alten) Ziel näher. Hauptsache ich bringe meinen Wettkampf zu Ende und überquere vor dem Zeitlimit die Ziellinie. So habe ich es am Ende geschafft! Mit einer tollen Marathon-„Schlechtzeit“ von 6:11 Std., konnte ich kurz vor 20:00 Uhr mit knapp 13 Stunden meinen vierten IronMan beenden. Unzufrieden mit meiner Tagesform, überzeugt von meinem Willen und überwältigt vom Zuspruch meiner Freunde, fiel ich dort zunächst einmal ins Wechselbad der Gefühle! Viele meiner Freunde hatten sich die Zeit genommen, mich an der Strecke zu unterstützen und einige sind sogar bis zu meiner Zielankunft an der „Finisherline“ geblieben. Solche Freunde braucht auch ein Eisenmann!
Gestern ging es mir schon besser und meine Atmung hat sich wieder etwas erholt! Leider musste ich noch eine zweite sportliche Niederlage einstecken. Nach 156 Tagen täglich Laufen war es gestern soweit: ich konnte meine Meile am 157. Tag nicht laufen. Ich habe es zwar versucht, aber nach 20 Minuten gehen und traben, musste ich feststellen, dass meine Atemnot noch kein Laufen zulässt. Etwas frustriert - aber stolz auf meine Vernunft - habe ich diesen Versuch abgebrochen. Gott sei Dank hat auch mein Ehrgeiz seine Grenze!
Heute Morgen war ich beim Lungen-Facharzt. Zum Glück alles ohne einen auffälligen Befund. Es geht mir auch schon viel besser und ich hoffe ich werde mich schnell wieder erholen. Ich kann es zwar immer noch nicht nachvollziehen, was da los war, aber ich werde es wohl so hinnehmen müssen!
Das Schreiben von den paar Zeilen hat mich eine Menge Zeit gekostet – denn ich bin in Sport besser als in Deutsch – aber es hat mir richtig gut getan. Und ich werde wohl niemanden erzählen müssen, dass der nächste IronMan oder Streak bereits geplant ist!
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LG Ritchy
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